Jahresbericht 2022

Jahresbericht 2022

Hoffnungszeichen im Krisenjahr

Jahresbericht 2022



Liebe Leserinnen und Leser

2022 war erneut ein Krisenjahr, obwohl wir es uns alle anders gewünscht hätten! Mit dem Krieg in der Ukraine wurde bislang Unvorstellbares plötzlich zur Realität. Vivamos Mejor spürte in allen Einsatzländern die Auswirkungen dieser geopolitischen Umwälzung in Form von steigenden Preisen, die die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgehen liessen und soziale Konflikte anheizten.

Aber es gab auch klare Hoffnungszeichen! So kam der Friedensprozess in Kolumbien mit der neuen Regierung wieder ins Rollen, in Brasilien wurde Ende 2022 mit Lula da Silva ein Präsident gewählt, der den Schutz des Amazonas ernster nimmt als sein Vorgänger, und auch in Honduras ist ein neuer Wille zu spüren, die natürlichen Lebensgrundlagen besser zu schützen.

Die 2022 abgeschlossene Wirkungsstudie der Universität Lausanne und der Universidad de los Andes über unsere Berufsbildungsarbeit in Kolumbien förderte signifikante, positive Auswirkungen auf Einkommen und psychisches Wohlbefinden der jungen Menschen sowie ein sehr gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis der Intervention zutage. Mit unserer Hilfswerk-Allianz «Sufosec» wiederum konnten wir wissenschaftlich nachweisen, dass sich dank Agroökologie die Mangelernährung reduzieren und die Ernährungssicherheit erhöhen lässt.

Die Solidarität und Spendenbereitschaft der Schweizer Bevölkerung beeindruckte uns auch dieses Jahr, wofür wir uns von ganzem Herzen bei unseren Unterstützerinnen und Unterstützern bedanken möchten.

Wir haben also viele Hebel, um die drängenden Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken!

Sabine Maier

Sabine Maier,
Geschäftsführerin

Franzsika Kristensen-Rohner

Franzsika Kristensen-Rohner,
Präsidentin des Stiftungsrates



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Jahresbericht-2022


Psychosoziale Unterstützung

Highlights und Herausforderungen


In Lateinamerika spürten breite Bevölkerungsschichten die Auswirkungen der Pandemie und des Ukraine-Krieges in Form von Preisanstiegen und Kaufkraftverlusten. Daneben beschäftigte uns die staatliche Repression gegen NGOs in Nicaragua, die zur unfreiwilligen Schliessung unserer Partnerorganisation «Centro Humboldt» und zu deren Neugründung in Guatemala führte.


Pilotprojekt mit neuem Partner in Honduras gestartet

In Honduras lancierten wir ein Pilotprojekt für den Wasser- und Ressourcenschutz mit einer neuen Partner-NGO im südlichsten Teil des Landes. Mit dem Projekt helfen wir 30 Kleinbauernfamilien, ihren Ackerbau mit agroökologischen Methoden zu verbessern. Mittels Aufforstungen wirken wir dem Schwund der Süsswasserreserven entgegen, und durch den Schutz von Mangrovenwäldern leisten wir einen Beitrag, um die natürlichen und wirtschaftlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Zudem verbessern wir die Wassersituation von 4’170 Menschen und bilden 130 Mitglieder von Wasserkomitees aus. Zum Projekt-Porträt.


Ernährungsbericht

Gemeinsamer Ernährungsbericht publiziert

Pünktlich zum Welternährungstag publizierten wir zusammen mit unseren fünf Partnern der «Allianz für nachhaltige Ernährung weltweit» (Sufosec) einen Bericht zur Welternährungslage. Dieser zeigte auf, dass der Hunger nach Jahren des Rückgangs leider wieder auf dem Vormarsch ist und dass Frauen stärker davon betroffen sind. Der Bericht wies wissenschaftlich die markante Wirkung von agroökologischen Methoden in der Hungerbekämpfung nach und legte Rechenschaft über die erreichten Resultate der Allianz ab: Bereits nach einem Jahr konnten 52’000 Familien ihre Ernährungssituation nachhaltig verbessern.

Wirkungsstudie fördert sehr positive Resultate zutage

Ende 2022 präsentierte die Universität Lausanne die Resultate der randomisierten Wirkungsstudie unseres ganzheitlichen Berufsbildungsansatzes in Kolumbien. Sie kam zum Schluss, dass der Ansatz die psychische Gesundheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer förderte und sie vor den negativen psychischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie schützte. Zweitens verdienten die Teilnehmenden insgesamt signifikant mehr als die Kontrollgruppen. Drittens erzeugte das Programm eine hohe Rentabilität und ein besseres Kosten-Einkommen-Verhältnis als reine Berufsausbildungsinterventionen. Unterdessen nahm Vivamos Mejor alle Teilnehmenden der Kontrollgruppe, welche während der Studie keine Leistungen erhielten, in das Programm auf, damit auch sie eine neue Einkommensperspektive erhalten.

Wirkungsstudie

Neuer Strategieprozess von Vivamos Mejor und der Allianz ist lanciert

In der zweiten Jahreshälfte starteten wir die Überarbeitung unserer Strategie 2019–2024 mit einer ersten Auslegeordnung. Dazu bildeten wir einen Ausschuss. Ziel ist es, die Eckpfeiler der neuen geographischen und thematischen Programmstrategie bis Sommer 2023 festgelegt zu haben. Zeitgleich lancierte auch die Allianz Sufosec den Prozess zu ihrer strategischen Weiterentwicklung ab 2025.

Gemeinsames Lernen in Zentralamerika im Regionalprogramm

Bereits zum fünften Mal diskutierten unsere Wasser- und Nahrungspartner aus drei Ländern Zentralamerikas während eines einwöchigen Wissens- und Erfahrungsaustauschs mit Fachexpert*innen Strategien zur «Anpassung an den Klimawandel». Dieses Jahr ging es um agroklimatisches Monitoring. Es nahmen Vertreter*innen von neun Organisationen, darunter drei Allianzpartner, teil. Ein Klimatologe und die Universität Torino zeigten anhand von lokalen Szenarien, wie sich das Klima in unseren Einsatzregionen verändern könnte und sie warnten vor häufiger auftretenden extremen Wetterereignissen. Gemeinsam entwickelten die Teilnehmenden ein System, mit dem sie in den nächsten Jahren die Auswirkungen des Klimas auf die vier für das Einkommen der Kleinbauernfamilien wichtigsten Anbauprodukte systematisch erfassen können. Auf der Basis der gewonnenen Daten möchten wir zukünftig die Bauernberatung noch stärker anpassen.


Sesamstrasse

Neues ausprobieren, um mehr Kinder zu erreichen

Während der Pandemie produzierte unser lokales Projektteam in Guatemala mit einfachen Mitteln kindgerechte Audio- und Videoinhalte in Maya-Sprachen, um die indigenen Kinder im Projektgebiet während des Lockdowns weiter zu erreichen. Die Lernsendungen fanden bei Kindern über das Projektgebiet hinaus grossen Anklang. Aufgrund der positiven Rückmeldungen entschieden wir uns, im Rahmen eines zweijährigen Pilotprojekts eine professionelle TV-Serie für Maya-Kinder im Vorschulalter zu produzieren. Damit möchte Vivamos Mejor 20’600 Kinder in 16 Maya-Gemeinden erreichen und zu Aktivitäten anregen. Wir sind auf die Rückmeldungen des jungen Publikums sehr gespannt! Zum Projekt-Porträt.

Krisenmanagement in Nicaragua geht weiter

Seit 2018 steckt Nicaragua in einer schweren politischen Krise. Die Regierung hat seither über 1’000 nationale und internationale NGOs geschlossen. Leider traf es im März 2022 auch unsere Partnerorganisation «Centro Humboldt». Glücklicherweise hatte die renommierte Organisation zu diesem Zeitpunkt bereits eine neue NGO in Guatemala gegründet. Nach der Schliessung verlegte ein Teil des Teams den Betrieb von Nicaragua nach Guatemala und führte laufende Projekte, so gut wie möglich, mit kreativen Lösungen in Nicaragua weiter. Vivamos Mejor unterstützte, zusammen mit weiteren Finanzpartnern, die ersten Betriebsmonate in Guatemala sowie die administrative Schliessung in Nicaragua. Mehr dazu.


Endlich zusätzliche Kita-Plätze für Soacha

Im grossen kolumbianischen Flüchtlingsauffangbecken Soacha fehlen seit Jahren Kita-Plätze für armutsbetroffene Familien. 2022 kam das Institut für Familienvorsorge ICBF (Instituto Colombiano de Bienestar Familiar) auf uns zu mit dem Angebot, in einem bestehenden Gebäude unserer Partnerorganisation zusätzliche 140 Kita-Betreuungsplätze für armutsbetroffene Kinder zu schaffen. Allerdings brauchte es dafür rasch bauliche Anpassungen am Gebäude, um die Mindeststandards des ICBF einzuhalten. Der Zeitplan war eng. Vivamos Mejor hat die Kosten für den Umbau übernommen und dabei in sehr kurzer Zeit die Finanzierung bereitgestellt. So konnte die neue Gross-Kita ihren Betrieb bereits im März 2023 aufnehmen.

Kita-Plätze


Honduras

Unsere Programme & Zahlen 2022

 

Vivamos Mejor setzt sich mit ihren beiden Bildungsprogrammen «Brücken in die Schule» und «Brücken ins Erwerbsleben» dafür ein, dass zwei lebensprägende Weichenstellungen gelingen: Der Eintritt in die Schule und jener ins Erwerbsleben. Mit dem Programm «Wasser & Nahrung» fördern wir den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und die Ernährungssicherheit von Kleinbauernfamilien.

 

Tauchen Sie in unsere Übersichtskarte ein, welche alle unsere Einsatzgebiete und ausgewählte Programmresultate aufzeigt:



Hintergrund

Wasser & Nahrung

5 Projekte
4'532 Begünstigte
76'749 indirekt Begünstigte



Brücken ins Berufsleben

4 Projekte
1'378 Begünstigte
4'155 indirekt Begünstigte



Brücken in die Schule

8 Projekte
13'987 Begünstigte
29'573 indirekt Begünstigte


Die wichtigsten Finanzzahlen finden Sie im Jahresbericht auf den Seiten 18 bis 21, den ausführlichen Revisionsbericht unter Publikationen.



Die neue Wirkungsstudie von Vivamos Mejor untersucht, wie sich unser ganzheitliches Berufsbildungsprogramm auf Resilienz und Lohn der Projektteilnehmenden auswirkt. Dieses Jahr werden die Resultate dazu präsentiert. Im Interview gibt die Ko-Autorin Alice Antunes von der Universität Lausanne einen ersten Einblick in den Aufbau und die Resultate der Studie.

Alice Antunes

 

Alice Antunes,
Universität Lausanne

Alice, die Wirkungsstudie wurde als sogenannte RCT-Studie durchgeführt. Wie würdest du das in einfachen Worten beschreiben?

Alice: RCT steht für randomisierte kontrollierte Studie. Das heisst, die Teilnehmenden werden nach dem Zufallsprinzip verschiedenen Gruppen zugewiesen. Eine Gruppe erhält eine Behandlung, die Kontrollgruppe nicht. So wird sichergestellt, dass im Anschluss die Resultate der Studie auf die Behandlung selbst zurückzuführen sind und nicht auf andere Faktoren.

Wie wurde das in der Wirkungsstudie von Vivamos Mejor umgesetzt?

In der Studie wurde untersucht, wie sich die Kombination von Berufsbildung und psychosozialer Unterstützung sowie weiteren Komponenten wie soft-skills-Training, Friedensbildung und Arbeitsmarktvermittlung auf die mentale Gesundheit und den Lohn marginalisierter junger Erwachsener auswirken. Dreihundert junge Erwachsene wurden nach dem Zufallsprinzip in drei getrennte Gruppen eingeteilt: eine reine Berufsbildungsgruppe, eine Gruppe mit Berufsbildung und psychosozialer Unterstützung und eine Kontrollgruppe ohne Berufsbildung und psychosoziale Unterstützung.

Welche Herausforderungen entstanden bei der Durchführung der Studie?

Die erste grosse Herausforderung bestand darin, eine gute Lösung für die Studienteilnehmer*innen der Kontrollgruppe zu finden, da diese weder eine Berufsausbildung noch psychosoziale Unterstützung erhielten. Aus wissenschaftlicher Sicht war das notwendig, moralisch aber schwierig vertretbar. Deshalb organisierten wir separate Veranstaltungen zur Betreuung der Kontrollgruppe und ermöglichten ihnen im Anschluss an die Studie auch eine Teilnahme an einem Berufsbildungsprojekt. Zudem stellte uns auch COVID-19 vor Herausforderungen. Die Teilnehmenden waren bei Ausbruch der Pandemie gerade erst in den Arbeitsmarkt eingetreten. Wir organisierten eine zusätzliche Telefonumfrage, um Informationen über die Lebenssituation und die psychische Gesundheit zu sammeln. So konnten wir die Auswirkungen des Lockdowns nachvollziehen und gleichzeitig sicherstellen, ob die Jugendlichen Unterstützung benötigen.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse der Wirkungsstudie in Kürze?

Wir konnten aufzeigen, dass die Gruppe mit psychosozialer Unterstützung im Vergleich zur Kontrollgruppe mittelfristig mehr verdiente und zwar im Umfang von ungefähr einem Monatslohn. Diese positiven Auswirkungen auf das Einkommen sind bei den Teilnehmenden mit psychosozialer Unterstützung stärker ausgeprägt als bei der Gruppe des reinen Berufsbildungsprogramms. Die zusätzliche Umfrage während des COVID-19-Lockdowns zeigte, dass die jungen Erwachsenen mit psychosozialer Unterstützung und Berufsausbildung besser mit der Krise resp. extremen Stresssituationen umgehen konnten als die beiden anderen Gruppen.



Team Vivamos Mejor

Erfahren Sie mehr über unsere Motivation und warum uns Lateinamerika auch persönlich am Herzen liegt!



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