Dem Prinzip von «Locally Led Development» misst Vivamos Mejor hohe Priorität bei. Ira Amin, Bereichsleiterin Programme, über die Chancen für eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, wenn lokale Akteure die Richtung angeben.
«Les acteurs locaux sont les mieux placés pour identifier leurs besoins.»
Ira, worum geht es bei «Locally Led Development»?
Ira Amin: Es geht darum, lokale Akteure ins Zentrum der internationalen Zusammenarbeit (IZA) zu stellen. Projekte sollen in ihrer Hand liegen, denn lokale Gemeinschaften wissen am besten über ihre Bedürfnisse Bescheid, während kompetente, lokal verankerte Partnerorganisationen das technische Know-how und ein tiefes Verständnis des Kontextes haben. Unsere Rolle ist jene der Brückenbauerin, Vermittlerin oder «kritischen Freundin». Wir kennen die thematischen Prioritäten der Geldgebenden, verfolgen die Diskussionen auf der internationalen Bühne und geben sie den Partnern weiter oder wir ermöglichen ihnen, sich einzubringen.
Wie setzt Vivamos Mejor das Prinzip der Lokalisierung um?
Wir arbeiten ausschliesslich mit lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen und pflegen mit ihnen einen Austausch auf Augenhöhe. Wir stärken ihre Vernetzung untereinander, unterstützen Süd-Süd-Wissensaustausche, wie aktuell im Regionalseminar Zentralamerika. Wo machbar, setzen wir auf flexible Finanzierungen, damit sich die Partner nach ihren aktuellen Notwendigkeiten weiter entwickeln können. Die Partner definieren selber, was sie dabei brauchen. In der «Allianz Sufosec» arbeiten wir weiter an innovativen Partnermodalitäten.
Wie können Geldgebende zu mehr Selbstermächtigung lokaler Akteure beitragen?
Geldgebende spielen eine entscheidende Rolle in der IZA. Es ist wichtig, sie für die Realitäten lokaler Akteure zu sensibilisieren, denn der Handlungsspielraum vieler IZA-Akteure hängt von den Spielregeln grosser Geldgebenden ab. Wir setzen uns deshalb für flexiblere Finanzierungsformen ein wie Programmfinanzierungen oder ungebundene Beiträge. Diese ermöglichen es den lokalen Organisationen, gutes Fachpersonal und ihr Know-how bei Schwankungen im Projektvolumen zu halten, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren und sich weiter zu entwickeln. Eine eng ausgelegte Projektfinanzierung erlaubt dies oftmals nicht. Nachhaltige Internationale Zusammenarbeit bedeutet, über die direkte Projektfinanzierung hinauszugehen und starke lokale Organisationen zu fördern. Nur so können sie ihre Rolle als Demokratiewächter wahrnehmen. Die aktuellen Krisen zeigen uns, wie wichtig eine intakte Zivilgesellschaft für das lokale Bevölkerungswohl ist.
Die «Alliance Sufosec» hat zu «Locally Led Development» eine Hintergrundstudie sowie eine Umfrage bei über 150 Partnerorganisationen in Auftrag gegeben. Was kam dabei heraus?
Unser Ziel war, die bisherige Diskussion um «Locally Led Development», gute Erfahrungen und offene Fragestellungen zusammenzutragen. Die Umfrage zeigte, dass die Partner der Zusammenarbeit mit uns grundsätzlich ein recht gutes Zeugnis ausstellen, aber es gibt noch Verbesserungspotenzial. Basierend darauf haben wir für die Programmphase 2025–2028 der Allianz konkrete Ziele definiert. Die Studie ist auf der Website sufosec.ch aufgeschaltet.
Weshalb rückt das Thema gerade jetzt verstärkt in den Fokus?
Zum einen hat die COVID-19-Pandemie die Notwendigkeit von lokaler Expertise und funktionierenden lokalen Strukturen aufgezeigt. Zum anderen hat die #blacklivesmatter-Bewegung weltweit ein stärkeres Bewusstsein für postkoloniale Strukturen in unseren Gesellschaften geschaffen. Diese gilt es zu durchbrechen.
Dieses Interview ist im Jahresbericht 2023 erschienen. Zu den Highlights aus dem Jahresbericht.