Gründung der Stiftung Vivamos Mejor

Auf Spurensuche mit Rupert Spillmann

Interview mit dem Gründer von Vivamos Mejor

Auf Spurensuche mit Rupert Spillmann


Ende der 70er Jahre legte ein junger Berner Arzt in Kolumbien den Grundstein für eine Geschichte, welche bis heute andauert: Vivamos Mejor wird im Dezember 40 Jahre alt. Rupert Spillmann merkte nach seiner Ankunft in der kolumbianischen Stadt Cali schnell, dass hier die Dinge anders laufen als in seiner Heimat. Neben der Forschungsarbeit für das Tropeninstitut der Tulane-Universität lernte der junge Arzt in den Aussenquartieren der Stadt die Lebensrealität von weniger privilegierten Bevölkerungsgruppen kennen: Fehlende medizinische Versorgung, chronische Unterernährung und mangelndes Grundwissen über Familienplanung, Bürgerrechte und Bildungsmöglichkeiten. In einer Aussenklinik organisierte er eine kostenlose Sprechstunde und erfuhr so mehr über die gesundheitlichen und sozialen Probleme der lokalen Bevölkerung.

Über 40 Jahre später gehen wir zusammen mit dem Gründer unserer Organisation auf Spurensuche.

Rupert Spillmann, Zitat

Herr Spillmann, was hat Sie in den 70er Jahren nach Kolumbien verschlagen?

R. Spillmann: Nach meinem Medizinstudium in der Schweiz konnte ich an der Tulane-Universität in New Orleans ein Zusatzstudium in Tropenmedizin absolvieren. Mein Betreuer schlug vor, dass ich im Anschluss ein Forschungsprojekt in Cali betreuen sollte. Ich war fasziniert von dieser Idee und nahm das Angebot dankend an.

Hatten Sie dann schon das Ziel, etwas in Lateinamerika zu bewirken?

Nicht direkt. Ich interessierte mich zwar für die grundsätzlichen Zusammenhänge der Armut, warum zum Beispiel gerade in den Tropen so viele Leute arm sind und welchen Einfluss tropische Krankheiten auf diesen Zustand haben. Zudem hatte ich eine starke persönliche Verbindung zum Kontinent, meine damalige Frau ist gebürtige Venezolanerin. Es war aber nicht meine Absicht, ein Projekt zu starten, ich hatte dazumal auch keine Ahnung von Entwicklungszusammenarbeit.

Woher kam dann die Idee, ein Hilfswerk zu gründen?

Durch meine Forschungstätigkeit lernte ich die Probleme vieler Familien aus den Armenquartieren aus erster Hand kennen. Aufgrund der unzureichenden medizinischen Versorgung dieser Bevölkerungsgruppen entschloss ich mich, ehrenamtlich eine abendliche Sprechstunde anzubieten. Dabei stellte ich schnell fest, dass die Ursache vieler Probleme oftmals dieselbe war: Das fehlende Grundwissen über fundamentale Aspekte des Alltags, wie z.B. ausgewogene Ernährung, Verhütung oder die Wirkung von Impfungen.
Kurz darauf schickte mir ein Onkel einen Scheck über 20’000 Franken mit der Bitte, etwas für die Armen in Cali zu tun, besonders Frauen und Kinder. Ich musste lange überlegen, wie ich diese – dazumal sehr beträchtliche Summe – sinnvoll einsetzen könnte.

Zu welchem Schluss kamen Sie?

Mein Grundgedanke war, dass die Vermittlung von Grundwissen am nachhaltigsten ist. Ich hätte natürlich auch Hilfsmittel kaufen und verteilen können. Aber das ist alles vergänglich: Nahrungsmittel werden gegessen, Wolldecken werden alt und löchrig – das Wissen jedoch bleibt und kann den Leuten nicht mehr weggenommen werden.

Der Ansatz von Wissensvermittlung im Sinne von «Hilfe zur Selbsthilfe» ist für Vivamos Mejor auch heute noch zentral. Wie haben Sie das dazumal umgesetzt?

Wir veranstalteten im grossen Armenviertel Siloah im Süden der Stadt abendliche Vorträge mit Dias und Filmen. Das Angebot stiess auf reges Interesse, zuerst kamen vor allem Frauen und Jugendliche, dann auch immer mehr Männer. Am Rand der Veranstaltungen konnten wir auch individuelle Probleme besprechen und die Leute beraten. So lernten wir mit der Zeit mehr über ihre Probleme und konnten immer gezielter helfen.

Dann folgte die Rückkehr in die Schweiz.

Genau, ich erfüllte mir einen lang gehegten Wunsch und gründete eine Praxis auf dem Land in der Nähe von Thun. In der Schweiz kümmerte ich mich um Themen wie z.B. die Mittelbeschaffung und reiste in kurzen Abständen nach Kolumbien, um die Aktivitäten zu überwachen und auszubauen. So wuchs die Organisation und ich konnte mich neben der Arbeit in der Praxis nicht mehr alleine darum kümmern. Darum gründete ich einen Gönnerverein, woraus schlussendlich 1981 die Stiftung Vivamos Mejor entstanden ist.

Woher kommt der Name «Vivamos Mejor»?

Das war ein Vorschlag meiner damaligen Frau und heisst übersetzt «Lasst uns besser leben», was ich sehr passend fand. Der Schriftzug entstammt einer Schreibmaschine und wurde mit einem Filzstift mit meiner Lieblingsfarbe blau hinterlegt. Somit war das Logo geboren.

Mit über 80 Jahren führen Sie auch heute noch Ihre Praxis und blicken auf ein ereignisreiches Leben zurück, was sind Ihre persönlichen Höhepunkte aus der Zeit in Kolumbien?

Am wichtigsten waren für mich die dankbaren Menschen, das Gefühl helfen zu können, Freundschaften mit Personen, die ich sonst nie kennen gelernt hätte und die vielen Abenteuer, die ich nur wegen diesem Einsatz erleben durfte. Ich bin meinem Onkel noch heute sehr dankbar!