R. Spillmann: Nach meinem Medizinstudium in der Schweiz konnte ich an der Tulane-Universität in New Orleans ein Zusatzstudium in Tropenmedizin absolvieren. Mein Betreuer schlug vor, dass ich im Anschluss ein Forschungsprojekt in Cali betreuen sollte. Ich war fasziniert von dieser Idee und nahm das Angebot dankend an.
Hatten Sie dann schon das Ziel, etwas in Lateinamerika zu bewirken?
Nicht direkt. Ich interessierte mich zwar für die grundsätzlichen Zusammenhänge der Armut, warum zum Beispiel gerade in den Tropen so viele Leute arm sind und welchen Einfluss tropische Krankheiten auf diesen Zustand haben. Zudem hatte ich eine starke persönliche Verbindung zum Kontinent, meine damalige Frau ist gebürtige Venezolanerin. Es war aber nicht meine Absicht, ein Projekt zu starten, ich hatte dazumal auch keine Ahnung von Entwicklungszusammenarbeit.
Woher kam dann die Idee, ein Hilfswerk zu gründen?
Durch meine Forschungstätigkeit lernte ich die Probleme vieler Familien aus den Armenquartieren aus erster Hand kennen. Aufgrund der unzureichenden medizinischen Versorgung dieser Bevölkerungsgruppen entschloss ich mich, ehrenamtlich eine abendliche Sprechstunde anzubieten. Dabei stellte ich schnell fest, dass die Ursache vieler Probleme oftmals dieselbe war: Das fehlende Grundwissen über fundamentale Aspekte des Alltags, wie z.B. ausgewogene Ernährung, Verhütung oder die Wirkung von Impfungen.
Kurz darauf schickte mir ein Onkel einen Scheck über 20’000 Franken mit der Bitte, etwas für die Armen in Cali zu tun, besonders Frauen und Kinder. Ich musste lange überlegen, wie ich diese – dazumal sehr beträchtliche Summe – sinnvoll einsetzen könnte.
Zu welchem Schluss kamen Sie?
Mein Grundgedanke war, dass die Vermittlung von Grundwissen am nachhaltigsten ist. Ich hätte natürlich auch Hilfsmittel kaufen und verteilen können. Aber das ist alles vergänglich: Nahrungsmittel werden gegessen, Wolldecken werden alt und löchrig – das Wissen jedoch bleibt und kann den Leuten nicht mehr weggenommen werden.